Kabbala heute!
Kabbala
heute? Gibt es wirklich so etwas wie eine neue Kabbala?
Ist die
herkömmliche nicht mehr gültig? Existiert sie überhaupt noch
oder ist ihre Quelle versiegt? Ist das Licht der uralten
Formulierungen erloschen, ihr Herz verdorrt und alles, was
übrig geblieben ist, sind einige überholte Regeln?
Seit dem
Holocaust behaupten viele Menschen, Gott sei tot. Könnte es
sein, dass wir es sind, die ihn nicht mehr wahrnehmen? Das
die Kanäle undurch-lässig geworden sind?
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Dr. Eli Erich Lasch,
†
am 01.04.2009 |
Brauchen wir
eine neue Wahrnehmung Gottes? Eine Erneuerung des Bundes,
notwendig geworden durch den Holocaust - das Ende der alten
Wege - und durch das Entstehen einer brandneuen Realität:
die Geburt des Staates Israel. Müssen wir neue Kanäle
öffnen? Ist eine neue Offenbarung notwendig?
Das ist es,
worum es in der Kabbala geht. Das Wort „Kabbala“ bedeutet
„empfangen“, die Wiedereröffnung alter Kanäle oder die
Erschaffung von neuen. Es ist niemals der Text oder der
Inhalt, der wichtig ist, sondern eine Kehrtwendung in der
geistigen Haltung - ein Prozess des Umdenkens.
Die Kabbala
war seit jeher eine mündliche Überlieferung. Sie zu
verstehen bedeutete sie zu fühlen und wahrzunehmen. Dem
Schüler war es nie erlaubt Fragen zu stellen. Bis zum
Holocaust wurde das Wissen unmittelbar von Lehrern
weitergegeben, Teil einer Kette, die bis Abraham
zurückreicht. Diese wurde im Holocaust zerrissen, so dass
man heute keine wahren Kabbalisten mehr finden kann. Die
wenigen, die übrig geblieben sind, versuchen eine Tradition
zu übermitteln, deren Zeit vorüber ist.
Allerdings
kann die Lehre unkonventionelle Wege einschlagen. Der Funke
kann auf einen Menschen an der Peripherie überspringen, der
einerseits offen ist für neue Gedanken und andererseits
nicht an tote Mythen oder Institutionen gebunden ist.
Das ist es,
was mir widerfahren ist: eine plötzliche Vision, die den
Verlauf meines ganzen Lebens verändern sollte. So wurde mir
auch gezeigt, dass ein neues Zeitalter neue Kanäle braucht,
ausgedrückt in neuen Konzepten. Daher: Kabbala heute.
Viele werden mich für einen Ketzer halten. Aber …
Eine
chassidische Geschichte:
-
"Wenn der
Baal Schem Tov, der Gründer der chassidischen Bewegung,
Gefahr für seine Gemeinde witterte, ging er an einen
bestimmten Ort im Wald, sang ein besonderes Gebet mit
einer besonderen Melodie - und die Gefahr wurde
abgewendet.
-
Wenn eine
Generation später wieder Gefahr der Gemeinde drohte,
ging auch Rabbi Dow Bär, der Maggid von Mesritsch, in
den Wald und sagte: 'Den genauen Ort weiss ich nicht
mehr, aber die besonderen Gebete mit der besonderen
Melodie kenne ich auch - und das muss genügen. Er tat es
und die Gefahr wurde abgewendet.
-
Eine
weitere Generation später befand sich Rabbi Mosche Leib
aus Sassow in derselben Situation. Er ging darauf hin in
den Wald und sagte: Wir kennen den genauen Ort nicht
mehr und auch nicht die besonderen Melodien, aber das
Gebet kenne ich noch, und das muß genügen'. Und wieder
wurde die Gefahr abgewendet.
-
Eine
weitere Generation später wollte Rabbi Israel von Ruzhin
wieder eine Gefahr abwenden und sagte: 'Wir kennen weder
den Wald, noch den Ort nicht mehr. Auch nicht die
Melodie und das besondere Gebet, aber wir haben dieselbe
Absicht und dieselbe Einstellung. Und das muss genügen.'
Und es war so."
Jeder von
ihnen vereinigt sich mit Gott auf seine besondere Art und
Weise. Für ihre Zeit genügte das.
Unsere Generation hat den Holocaust erlebt, eine
Katastrophe, die keines der traditionellen Gebete abwenden
konnte. Hat Gott Sein Volk verlassen oder ist ein neuer
Zugang unsererseits zu Gott notwendig geworden?
Die Kabbala,
die mystische Tradition des jüdischen Volkes, lebt heute wie
eh und je. Ihr Ziel ist, war und bleibt die Vereinigung mit
Gott, dem Höchsten Wesen. Die Lehre allerdings muss für jede
Generation neu formuliert werden, und jede empfängt sie in
ihrer eigenen Sprache. Deswegen sind viele alte Schriften
für uns unverständlich. Wir ahnen zwar, dass in ihnen viel
Wahrheit liegt, doch ihre Bedeutung bleibt uns zum großen
Teil verschlossen. Sie wurden für die Menschen ihrer eigenen
Zeit verfasst. Menschen, die unterdrückt waren, und unter
permanenter Verfolgung lebten und litten.
Alle außer
einer: der Tora. Diese enthält ewige Wahrheiten und ist für
immer gültig. Auch ihre Sprache ist so einfach und klar,
dass sie von jedem, der sie liest, verstanden werden kann,
von jedem auf seine Art und Weise. Ihre mystische Auslegung
ist die Kabbala und diese ist es, die für jede Generation
neu formuliert werden muss. Darum Kabbala heute. Denn wie
wir aus der chassidischen Geschichte lernen, kommt es auf
die Absicht an, nicht auf das Ritual. Dieses ist nur das
äußere Gewand. Nach dem Holocaust und der Entstehung des
Staates Israel ist heute ein neuer Funken mehr denn je
notwendig.
Deshalb ist
Kabbala heute keine Ketzerei, sondern eine Erneuerung oder
sogar die Wiedergeburt einer uralten Tradition. Eine Kabbala
für freie Menschen.
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